Der Spinnen Tunnel
- Jan Marc
- 24. März 2024
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 3. Apr. 2024
Ich bin in einem kleinen Dorf im Vogelsberg aufgewachsen. Mitten durch den Ort fließt hier das „Dorfwasser“ und mündet in die größere „Lauter“ und später den Fluss „Fulda“. Als Kinder haben wir hier oft gespielt. Staudämme gebaut, Fische gefangen, Frösche gesammelt oder sind auf kleine Expeditions- und Abenteuertouren gegangen. Das Dorfwasser wird unter den Straßen durch mehrere Tunnel und Röhren geleitet. Zwei der drei längsten habe ich damals mit meinen Freunden erkundet. Nur den längsten, dunkelsten und unheimlichsten Tunnel habe ich damals ausgelassen. Unter anderem auch wegen der vielen Spinnennetze und Spinnen. Dieses Gefühl nicht zu wissen, wie der Tunnel so ist, ob und wie man dort durchgehen kann, hat mich - und das klingt jetzt komisch und skurril - doch nie ganz losgelassen. Heute war es dann so weit. Der Spinnen Tunnel sollte einen Haken bekommen.

Mit meiner alten Francital Jacke, Stirnlampe und Gummistiefeln bewaffnet, machte ich mich auf den Weg zum Dorfwasser. Mein Vater hatte mir einen Hinweis gegeben, das am oberen Eingang ein Fanggitter installiert sei und daher beschloss ich, den Tunnel von unten zu erkunden. Über eine kleine Treppe gelangte ich in den Bach und lief die letzten Meter hinauf zum Eingang. Dieser war niedriger als gedacht und schon auf den ersten Metern wurde mir klar, das diese Aktion sehr anstrengend werden würde.

Sofort fielen mir die unglaublich vielen Spinnennetze und Spinnen auf, die den Eingangsbereich bevölkerten. Allerdings sollte sich die Anzahl im Laufe meines Trips durch den Tunnel noch erhöhen. Zum Glück befanden sich über dem schmalen Wasserlauf in der Mitte etwas weniger Netze, so das ich einigermaßen gut vorwärts kam. Der betonierte und gefasste erste Bereich, endete dann abrupt vor einem noch schmaleren Rohr. Dieses hatte ich auf alten schwarz und weiß Fotos aus dem Dorf bereits gesehen und erwartet. Das Rohr wurde in den frühen 60er Jahren verlegt und das einst offen liegende Dorfwasser damit unter die Erde verbannt.

Ich kam tatsächlich deutlich langsamer voran, da die Spinnennetzdichte zunahm und auch der Untergrund schwieriger wurde. Erstaunlich wenig „Treibgut“ begegnete mir im Tunnel. Hier hätte ich tatsächlich mehr Äste, Geröll oder Müll erwartet. Neben den Spinnen war das einzige weitere Lebewesen ein kleiner Fisch, der vor meinen stampfenden, platschenden Schritten floh. Immer wieder tauchten rostige Gullideckel und weitere Knicks in der dunklen Röhre auf und brachten so etwas Abwechslung in die Tour. Dann plötzlich, ein kleiner vager Lichtschimmer in der Ferne. Das Ende schien erreicht. Ich war bereits rund 15 Minuten unterwegs und meine Oberschenkel brannten wie Feuer (in diesem Moment wo ich das schreibe, einen Tag danach, habe ich den Muskelkater des Jahres!)


Dann war es geschafft und ich trat aus der Röhre heraus ins Freie. Das Fanggitter vor mir, Spinnenweben an der Mütze, geschwitzt und happy. Ich hätte Anfangs nicht geglaubt, das es doch so anstrengend werden würde. Und zum Glück passte ich ohne größere Probleme durch die Stahlträger hindurch und konnte über eine Mauer auf die Straße klettern. Warmes Wasser in meinen Gummistiefeln, machte ich mich schmatzend und gluckernd auf den Weg zurück zu meinen Eltern.
Nach 35 Jahren hatte ich es endlich geschafft. Der dritte lange Tunnel, der Spinnen Tunnel war bezwungen und ich konnte mich zufrieden zurücklehnen. Ein wundervoller Tag ;)


Commentaires